“Winnetou” – Der Mythos lebt

Der Dreiteiler mit den Titeln „Eine neue Welt“, „Das Geheimnis vom Silbersee“ und „Der letzte Kampf“ sind die Hörspiele zum TV-Event, welches Ende des Jahres 2016 auf RTL ausgestrahlt wurde. Ich gebe zu, dass ich sehr skeptisch war, was man denn hier wohl fabriziert hat. Da ich mich zum Ausstrahlungszeitpunkt im Ausland befunden habe, habe ich die Filme nicht gesehen. Nach dem Hören der drei Hörspiele, werde ich dies aber wohl nachholen, denn ich nehme es vorweg: Die Hörspiele sind wirklich gut. Doch schauen wir zunächst einmal, worum es in den einzelnen drei Teilen denn eigentlich geht.

„Eine neue Welt“ beschäftigt sich mit dem Kennenlernen von Winnetou und Karl May und erzählt die Geschichte, wie Karl May zu Old Shatterhand wurde. An dieser Stelle folgt eine kurze Inhaltsangabe:

Der junge deutsche Ingenieur Karl May begibt sich nach Amerika, um den Ausbau der Eisenbahnstrecke mit zu beaufsichtigen. Diese soll direkt durch das Land der Apachen führen. Bei Messarbeiten kommt es seitens der Apachen zu einem Angriff, als Männer von Rattler, die als Sicherheitseskorte für Karl May dabei sind, einen Friedhof der Apachen schänden wollen. Ein Arbeiter stirbt und Karl wird schwer verwundet. Rattler und die anderen lassen ihn zurück. So trifft Karl auf Winnetou und tatsächlich willigen die Apachen und auch Mr. Bancroft ein, über die Strecke der Bahn zu verhandeln. Doch dann kommt es zur Tragödie, die dem Häuptling der Apachen das Leben kostet.

„Das Geheimnis vom Silbersee“ startet damit, uns die noch nicht eindeutige Gefühlswelt von Karl May darzulegen. Doch dies ändert sich schnell, denn ein grausamer Gangster betritt die Szenerie und entführt Nscho-Tschi. Auch hier möchte ich euch eine kurze Inhaltsangabe präsentieren:

Old Shatterhand und Winnetou sind gute Freunde geworden. Und auch mit Winnetous Schwester, der Schamanin Nscho-Tschi, versteht er sich mehr als gut. Doch eines Abends wählt sie ihn im Rahmen eines Balzrituals aus. Old Shatterhand weist sie jedoch zurück, da er kein Apache ist und verlässt am nächsten Morgen den Stamm. So kann er nicht verhindern, dass El-Màs Loco, der mit seiner Horde von Banditen auf der Suche nach dem Schatz im Silbersee ist, das Lager der Apachen überfällt und Nscho-Tschi in seine Gewalt bringt. Doch Sam Hawkins weiß, wo sich Old Shatterhand befindet …

„Der letzte Kampf“ bildet den Abschluss der Trilogie und der grausame Santer kommt nach Roswell. Alles dreht sich um Öl und durch einen perfiden Plan wird das Land den Apachen wieder enteignet. Nun kann nur eine Verbrüderung helfen. Wenn ihr es genauer wissen möchtet, dann gibt es hier auch eine kurze Inhaltsangabe zum Nachlesen:

Old Shatterhand und Nscho-Tschi haben ein kleines Farmhaus in der Nähe des Dorfes der Apachen bezogen. Bei einem Brunnenbau stoßen sie auf Öl. Doch dieses fängt Feuer. Auf die Feuersbrunst wird Santer Junior aufmerksam, der daraufhin das große Geldgeschäft wittert. Als Old Shatterhand ihm sein Land nicht verkaufen will, greift er zu grausamen Mitteln. Um diesen Kampf zu gewinnen, müssen sich die Indianerstämme vereinen und gemeinsam gegen den übermächtigen Feind kämpfen …

Es ist natürlich eine satte Sprecherliste, die wir anlässlich dieser drei Folgen zum TV-Event dargeboten bekommen. Ein wesentliches Element ist Christian Rode, der als Erzähler sehr viel Text zu bewältigen hat. Gelegentlich hat man bei Hörspielen dieser Art das Problem, dass die Erzählerparts einfach Überhand nehmen und der Spaß am gesamten Hörspiel verloren geht. Doch dies ist hier – Gott sei Dank – nicht der Fall. Auch wenn die Parts recht lang sind, hat man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass sie das Hörspiel dominieren. Wotan Wilke Möhring performt den jungen Karl May bzw. Old Shatterhand. Ich kann ihn mir sehr gut in der Rolle des Wild-West-Helden vorstellen, der sich immer weiter entwickelt. Zu Beginn spricht er noch deutlich zögerlicher und eher „wohlerzogen“, wie es für einen Mann seiner Art und Bildung damals üblich war. Mit Verlauf der Handlung, mit der ja auch eine Wendung seiner Person eintritt, wird er aber immer mehr der souveräne Wild-West-Mann – klasse Darbietung! An seiner Seite agiert Nik Xhelilaj in der Rolle des Winnetou. Er ist ein albanischer Schauspieler und Moderator, der mir überhaupt nicht bekannt war. Er gefällt mir in der Rolle des Apachen aber gut. Iazua Larios bekommen wir als Nscho-Tschi zu hören. Auch sie ist mir gänzlich unbekannt, wie eigentlich die Masse der Sprecher, da es sich zum Großteil ja auch um Schauspieler handelt, die wir im Hörspielbereich eher selten hören. Richtig genial finde ich die Auftritte von Mario Adorf als Santer Senior und Michael Märtens als Santer Junior in der dritten Folge des Dreiteilers. Gerade letztgenannter Akteur kommt so herrlich arrogant und fies rüber, dass man ihm gegenüber eine regelrechte Abneigung empfindet. Genau das ist die Performance, die man für solch eine Rolle hinlegen muss. Wenn es gelingt, dem Hörer derartige Gefühle zu entlocken, dann hat man definitiv alles richtig gemacht. Milan Peschel übernimmt den Part des Sam Hawkins, der in zahlreichen Hörspielen für mich immer die prägnanteste Stimme hatte. Seine Darbietung gefällt mir nicht so gut, da seine Stimme für mich einfach nicht zu dieser Rolle des so „schrulligen“ Wild-West-Mannes passt. Insgesamt sind die Leistungen aller beteiligten Akteure dennoch richtig gut und bringen das nötige Flair der Prärie in authentischer Weise an das Ohr des Hörers.

Die Abenteuer von Winnetou und seinem Blutsbruder Old Shatterhand sind richtige Klassiker. So gab es zahlreiche Filme und noch mehr Hörspieladaptionen. Vater dieser Werke war Karl May und die Fangemeinde ist riesig. Nach einem Buch von Jan Berger wurde diese Neuauflage 2016 für den Sender RTL produziert und auch hörspieltechnisch umgesetzt.

Für das Hörspieldrehbuch ist Heiko Martens verantwortlich. Redaktion und Regie führten das Zweigespann um Christian Hagitte und Simon Berling, so dass hier alles in besten Händen ist.

Trotz allem war meine Skepsis sehr groß, als ich die erste Folge dann in den Player legte. Hauptskepsis war, dass mich O-Ton des Öfteren einfach nicht begeistern kann und ich mir nicht vorstellen konnte, dass man Winnetou einfach mal eben in die Moderne bringen kann. Tatsächlich wurde ich eines Besseren belehrt. Zum Thema O-Ton: Für mich ist das nicht wirklich O-Ton. Christian Rode, der durch die Geschehnisse führt, ist alles andere als ein omnipräsenter Erzähler. Es ist im Gesamten wirklich eine klassische Hörspielumsetzung und wenn man mir erzählt hätte, dass das eben einfach neue Hörspiele wären, die nicht zuvor im TV gelaufen sind, hätte ich das komplett geglaubt.

Die Geschichte beginnt mit dem jungen Karl May, der als Ingenieur die neue Welt betritt. Schnell merkt er, dass die Interessen der Apachen und die Interessen der Eisenbahngesellschaft nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Aus Karl May wird Old Shatterhand und wir dürfen ihn auf seinem Weg begleiten, der uns im zweiten Abenteuer an den Silbersee führt, bevor im Abschlussabenteuer dann niemand geringeres als Santer die Bühne betritt.

Die Geschichte ist richtig gut und ich denke, dass sogar Nostalgiker hiermit zufrieden sein dürften. Die Umsetzung von TV als Hörspiel ist ebenfalls sehr gelungen. Mich zumindest hat jede einzelne der drei Folgen richtig zufriedengestellt. Die Hörspiele sind ein guter Mix aus Spannung, Action und einer großen Portion Western-Abenteuer.

Jedes der drei Hörspiele kommt mit einer Laufzeit von knappen 70 Minuten daher und kann separat für sich gehört werden, da die eigentlichen Handlungen in sich abgeschlossen sind. Dennoch ergibt es als Paket mehr Sinn. Die Laufzeit ist angenehm und Längen gibt es hier nicht.

Musikalisch kann das Winnetou-Hörspiel durchweg überzeugen und die Atmosphäre dringt vortrefflich an das Ohr des Hörers.

Insgesamt waren diese drei Teile wirklich richtig gut. Fans jeglicher Western-Unterhaltung können bedenkenlos zugreifen. Winnetou- bzw. Old Shatterhand-Nostalgiker sollten alle ihre Zweifel beiseite wischen und der ganzen Angelegenheit eine Chance geben.

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