“Nicci und Vicci und das Karpatenkalb” (früher “Sanni und Tanni und das Karpatenkalb”) – Unser Erlebnisbericht

http://www.radiolivetheater.de/live-hoerspiel/sanni-und-tanni.html

Comedy-Livehörsöpiel Reloaded – Auf der „Hörmich 2019″ und demnächst in Frankfurt und Mainz ermitteln Nicci und Vicci wieder.

Mehr Infos findet ihr hier:

https://www.radiolivetheater.de/event/live-hoerspiel/nicci-vicci-und-das-karpatenkalb/

Live-Hörspiele sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden. „Die drei ???“ haben mit ihren Tourneen wie z. B. „Master of Chess“, „Der seltsame Wecker – Live and Ticking“ oder zuletzt „Phonophobia – Sinfonie der Angst“ sicher mit dazu beigetragen. Aber auch andere Live-Hörspiel-Truppen müssen sich nicht verstecken. So wurden wir kürzlich auf das „hr2-RadioLiveTheater“ und ihre Hörspiel-Persiflage „Sanni und Tanni und das Karpatenkalb“ aufmerksam – wir haben euch auch schon in unseren News darüber informiert.

Hier also nun unser Erlebnisbericht von der Uraufführung des Live-Hörspiel:

Sanni und Tanni (Jasna Fritzi Bauer und Charlotte Irene Thompson), die beiden eineiigen, uneiigen Zwillinge, könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie wohnen zusammen in einem Mädcheninternat, das in den Ferien von Schwester Maria-Hildegard (Klaus Krückemeyer) beaufsichtigt wird. Bei so vielen Mädchen ist der eine oder andere Streit vorprogrammiert. Aber wenn es darauf ankommt, dann halten die Zwillinge natürlich zusammen. Und das müssen sie auch, denn am ersten Ferientag verschwindet plötzlich, während eines äußerst gruseligen Gewitters, eine Mitschülerin aus dem Internat. Die Französin Miri, das Nesthäkchen, ist wie vom Erdboden verschluckt und es ist klar: Das ist ein Fall für die 2 ii-Pünktchen-Detektive! Sie begeben sich sofort auf die Suche und dabei begegnen sie so allerhand seltsamen Gestalten und Gefahren.

©Sven-Oliver Schibat

Wie es bei Jugendbanden so ist, darf auch ein gutes Rätsel auf dem Weg zur Lösung des Falles nicht fehlen. Dieses findet sich in Gestalt eines Briefes; er liegt im Hut der verschwundenen Mitschülerin, den sie im Wald verloren hat. Woher kommt der Brief und welche Rolle spielt dabei die seltsame alte Frau, die einen Besen isst? Alles deutet auf einen Zusammenhang mit dem sagenumwobenen und gefürchteten Karpatenkalb von Vankerville hin. Unter Einsatz ihres Lebens begeben sich Sanni und Tanni zusammen mit den Möpsen „Hans und Franz“ ins unheimliche Dartmoor auf die Suche nach Miri und dem Monster…

Jasna Fritzi Bauer als Heidi ©Sven-Oliver Schibat

Spätestens nach den ersten zehn Minuten dürfte allen Anwesenden klar geworden sein, warum Kai Schwind von der „Ferienbande“ das Stück mit dem Prädikat „ein gigantisches popkulturelles Potpourri” ausgezeichnet hat. Denn bei „Sanni und Tanni und das Karpatenkalb“ wird keine Gelegenheit ausgelassen, Anspielungen auf die 80er Jahre an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Schonungslos und wie aus der Pistole geschossen reihen sich „von A bis Z, von Eins bis Hundert, von Norden bis Süden, von Osten bis Westen“ Zitate und Anspielungen aneinander. Egal ob „Die drei ???“, „Fünf Freunde“, „Bibi Blocksberg“, „TKKG“ und „Sherlock Holmes“, oder TV- und Werbeparodien: Nichts bleibt unerwähnt. Obendrein werden in mehreren kurzen Gesangseinlagen verschiedene Klassiker zum Besten gegeben, was die beiden musicalerprobten Schauspielerinnen Jasna Fritzi Bauer und Charlotte Irene Thompson spielend bewältigen. Die Schauspielerinnen verkörpern ihre Rollen sehr überzeugend und mit diesem kleinen Quäntchen overacting, das es für eine Persiflage eben so braucht. Es macht viel Spaß, den beiden klischeegespickten Zwillingen bei ihren Kabbeleien zuzuhören. Alle Schauspieler schlüpfen in mehrere Rollen und der Wechsel dazwischen ist mitunter rasant. Da wird der Käse-Hut schnell gegen das Krönchen sowie der eine gegen den anderen Dialekt getauscht. Und gerade Klaus Krückemeyer verbringt mitunter wahre Wunder, wenn er zum wiederholten Male hintereinander zwischen den Charakteren und den dazugehörigen Requisiten hin- und herwechselt.

Klaus Krückemeyer als “Die Alte im Moor” ©Sven-Oliver Schibat

Nicht nur bei den sehr authentischen Achtzigerjahre-Requisiten (hier gibt es noch Raider – kein Twix!) hat Regisseur und Drehbuchautor Klaus Krückemeyer viel Liebe zum Detail bewiesen. Dies gilt auch für die Charakterzeichnung der Figuren, bestes Beispiel sind die beiden Protagonistinnen. Sanni ist eine Art „Best of“ aus Justus Jonas („Die drei ???“), Klößchen („TKKG“) bzw. Julien („Fünf Freunde“): Sie ist kluger Kopf und Anführerin der 2 ii-Pünktchen-Detektive und für jede Mahlzeit, die ihr in die Quere kommt, zu haben. Sie knabbert stets Nüsschen oder andere Snacks und ist mit einem Schweizer Armeetaschenmesser für alle Fälle ausgerüstet. Tanni wiederum ist das genaue Gegenteil: Sie ist wahrhaftig das „Mädchen“ der Bande, eine Mischung aus Babsi („Ferienbande“), Gaby („TKKG“) und irgendwie auch Peter („Die drei ???“). Bei jedem unerklärlichen Geräusch zuckt sie zusammen, verdreht ständig Sprichwörter, würde am liebsten immer ihre Kuscheltierfreunde als Begleitung mitnehmen, ist aber auch sehr erpicht darauf, endlich ein Date mit den „Jungs von der Insel“ zu haben. Die biederen bzw. aufreizenden Schuluniformen der Zwillinge tun ihr Übriges (es kommt darauf an, wie man sie trägt!).

Geräuschemacher Axel Senn ©Sven-Oliver Schibat

Was wäre ein (Live-)Hörspiel ohne Musik und Geräusche? Michael Bibo sorgte mit seiner musikalischen Untermalung für garantiertes Achtzigerjahre-Flair. Axel Senn stellte sein Talent als Geräuschemacher und Schauspieler unter Beweis. So konnte er beispielsweise mit seiner Darstellung der beiden Möpse „Hans und Franz“ minutenlang das Publikum in seinen Bann ziehen und sorgte für Lacher, sodass die eigentliche Handlung fast zur Nebensache wurde. Überhaupt gab es eine sehr erfrischende Interaktion zwischen ihm, den Schauspielern und dem Erzähler. Apropos: Um das Hörspiel-Flair noch abzurunden, gehört natürlich auch ein Erzähler dazu. Dieser Part wurde mit der urigen Stimme vom großartigen Gordon Piedesack besetzt, der für den kurzfristig verhinderten Nick Benjamin eingesprungen ist.

Erzähler Gordon Piedesack ©Sven-Oliver Schibat

In diesem Stück kommen Augen und Ohren nicht zu kurz. Die ganze Truppe zeigte sich in bester Spiellaune und ließ sich auch von dem einen oder anderen kleinen Patzer nicht aus der Ruhe bringen. So kommentierte Erzähler Gordon Piedesack den spontanen Lachflash von Charlotte Irene Thompson trocken mit: „An der Stelle lachen wir immer!“ Durch ein beherztes Betätigen der „Rückspultaste“ durch Geräuschemacher Axel Senn wurde die Stelle einfach „zurückgespult“ und noch einmal gespielt – stilecht, wie sich das für ein (Live-) Hörspiel eben gehört.

Von der „Gewitteroma“ bis zu den „kleinen Preisen“, von bunten Bällen, die wie bei einem nicht näher bezeichneten Privatsender damals von oben herab fielen, um die Pause anzukündigen, bis hin zum Wechsel von der „A-“ zur „B-Seite“ der Kassette – es wurde alles aufgefahren, was nicht nagel- und niet – ach nein, niet- und nagelfest ist. Es machte Spaß, das bunte Achtzigerjahre-Ideenfeuerwerk auf sich wirken zu lassen. Allerdings warf es, gerade in der ersten Hälfte, mitunter auch seine Schatten. An einigen Stellen wirkten die Dialoge durch die vielen Anspielungen und Effekte ein wenig überladen, sodass die Handlung leider etwas in den Hintergrund geriet. In der zweiten Hälfte wurde dies unserer Meinung nach besser gelöst. Der Spagat zwischen den Genres Comedy und Krimi ist zum großen Teil gelungen, wobei die Waage durch die große Achtziger-Party eher zugunsten des Comedy-Parts ausschlägt.

Auf jeden Fall gilt: Dieses Live-Hörspiel ist eine schöne Jugendhörspiel-Persiflage in bester Ferienbanden-Manier mit einer extra Portion „Achtziger-Allerlei“ oben drauf. Wer mit diesem Wissen und der Lust am Zitateraten ausgestattet ist, sollte sich mögliche weitere Aufführungen nicht entgehen lassen! Außerdem beweist dieses Live-Hörspiel einmal mehr: Erfolgreiche Jugendhörspiel-Detektivbanden brauchen zwar das unverschämte Glück der Jugendhörspielbanden, aber funktionieren auch prima ohne Jungs und (fast) ohne Hunde. Lasst euch darauf ein und unerwartet das Erwartete! Oder so…

Und wenn ihr jetzt noch mehr über das Live-Hörspiel, seine Entstehung und Sanni und Tanni
erfahren möchtet, hört doch in dieses schöne Interview rein. Henrike und Florian konnten es vor dem Live-Hörspiel am 07.03.2017 mit Charlotte Irene Thompson, Jasna Fritzi Bauer und Klaus Krückemeyer führen.

vorne (v. l. n. r.) Florian, Henrike, Jasna Fritzi Bauer (Sanni), Charlotte Irene Thompson (Tanni)
hinten (v. l. n. r.) Axel Senn (Geräuschemacher), Gordon Piedesack (Erzähler), Klaus Krückemeyer (Buch und Regie), Delisa Hassert (Regieassistentin)

Mit freundlicher Genehmigung vom „hr2-RadioLiveTheater” könnt ihr das Programmheft hier downloaden und anschauen.

Wir möchten uns noch einmal in aller Form beim ganzen Team des „hr2-RadioLiveTheaters“ für die Unterstützung bedanken, ohne welche dieser Erlebnisbericht nicht möglich gewesen wäre.

©Sven-Oliver Schibat

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